Unser Lieblingsgarten ist der heute staatliche, vormals königliche Schlosspark im gleichnamigen 6. Arrondissement du Luxembourg. Der Garten liegt im Quartier de l’Odéon und gehört zum Palais du Luxembourg, in dem der Senat tagt, das Oberhaus des französischen Parlaments. Der Jardin du Luxemburg war der erste Ort in Paris, der uns verzaubert hat. Während seines Studienaufenthalts in Tours fuhr mein Mann mit dem TGV in Höchstgeschwindigkeit oftmals nach Paris, wo er mit Freunden im «luco» feierte. Von diesen unvergesslichen Abenden erzählt er mir heute noch oft und gerne.
Dieser Park liegt dicht beim Paradies
Als Erich Kästner 1928 diese Zeilen schrieb, erfasste er eine zeitlose Wahrheit. Hier entfaltet sich Tag für Tag ein faszinierendes Schauspiel des Pariser Lebens – ein Wimmelbild voller Geschichten, das uns bei unserem ersten Besuch sofort in seinen Bann zog.

Schon die ersten Schritte auf dem knirschenden Kies verraten: Wir betreten eine einzigartige Welt. Auf der einen Seite kämpfen flinke Tennisspieler um jeden Ball, auf der anderen Seite sitzen Zeitungsleser auf Bänken und erkunden von hier aus die Welt.
An den Schachtischen grübeln die Spieler über ihrem nächsten Zug und unter dem Pavillon entdecken wir eine Gruppe von Menschen, die in sanften Tai-Chi-Chuan-Bewegungen versunken sind. Sie verlangsamen auch für uns die Zeit. Weiter im Park treffen sich ältere Damen und Herren, die so in ihre Gespräche vertieft sind, als würden sie die geheimsten Geschichten der Welt austauschen.


Doch das wahre Herz des Gartens schlägt bei den Pétanque-Spielern des Clubs A-S-J-L (Association Sportive du Jardin du Luxembourg). Hier steht, wie ein Relikt aus vergangenen Tagen, ein unscheinbares Büdchen – ein Schrein der Spielleidenschaft. Wenn seine Lade sich einmal öffnet, gewährt sie einen kurzen Einblick in ein Mosaik nummerierter Fächer, jedes eine private Schatzkammer für die polierten Boulekugeln der Spieler. In ihren Gesichtern spiegelt sich die pure Freude am Spiel, eine zeitlose Begeisterung, die den Park seit Generationen mit Leben füllt.


Setzen wir unseren Spaziergang fort, werden wir rechts und links von unzähligen Joggern überholt, Hunde tollen laut bellend unter dem Blick ihrer Besitzer in ihrem eigenen Bereich.
Es ist eine Erfüllung, sich Zeit nehmen zu können und hier verweilen zu dürfen, nur schauend, schmunzelnd oder auf den wunderbaren Stühlen zu dösen zu. Die grünen und überraschend schweren Sitz- und Liegegelegenheiten stehen in dreifacher Ausfertigung mit Stuhl, Sessel und Relaxsessel überall in der Anlage verteilt und sind – besonders an Sonnentagen – sehr begehrt.
Ihre Geschichte ist interessanter als man annimmt. Der Stuhl aus Stahl wurde in den 1920er Jahren vom Ateliers de la Ville de Paris für den Jardin du Luxembourg entworfen, seit 1923 stehen die Stühle im Park. Früher durften Kriegswitwen die Stühle vermieten, heute können die ungefähr 4.500 Stühle kostenlos genutzt werden.

Im Jahr 2002 beauftragte der Hersteller der Stühle Fermob den Designer Frédéric Sofia mit der Neugestaltung des sogenannten «Luxembourg»-Stuhls: Er behielt das klassische Design bei, wollte aber den Stuhl ergonomischer und leichter als das alte Modell gestalten und wählte daher Aluminium. Der neue Stuhl kann es in Komfort und Qualität leider in keiner Weise mit dem Original aufnehmen. Im Jardin du Luxembourg findet man glücklicherweise ausschließlich «Senát»-Stühle aus Stahl, wohl auch deshalb, um das Stibitzen der Stühle zu einem mühevollen Unterfangen werden zu lassen.
Und so hat sich bei uns ein Zauberwort entwickelt: «Sénat» bedeutet für uns – Pause! Wir suchen schnellen Blickes zwei Stühle, damit wir unsere Füße hochlegen können. Die optimale Konstellation besteht aus zwei unterschiedlichen Stühlen: einem Stuhl mit schräger Lehne zum gemütlichen Sitzen und einem Stuhl mit gerader Lehne, um die Beine hochzulegen. Es ist durchaus üblich, dass man die Stühle verrückt oder an einen anderen schattigen Platz trägt. Man sieht daher häufig «wandernde Stühle» und freudige Gesichter, wenn der ideale Platz für die nächsten Stunden gefunden ist.
Nun öffnen wir unsere Taschen und finden darin einen eisgekühlten Champagner, schwarze französische Oliven, gesalzene Butter, ein frisches Baguette und ein Stück Comté. Unsere Quelle für diese Leckereien befindet sich im vorzüglichen Lebensmittelgeschäft Épic in der rue Mabillon Nummer 3 ter im Marché Saint Germain, zirka zehn Minuten fußläufig zum Jardin du Luxembourg.
Wir ergänzen unser vergnügliches Mahl auch gerne mit einem 2000 Feuilles oder einer Tarte Infiniment Vanille von Pierre Hermé, ebenso nah auf der rue Saint-Placide Nummer 43. Inmitten dieser Köstlichkeiten verlangsamt sich die Zeit und wir spüren, dass dieser Zustand wohl die größte Erholung ist, die es inmitten einer Metropole geben kann.

Wenn wir uns dann im neuen Tempo, langsam schlendernd, wieder auf den Weg nach Hause machen, dann gehen wir immer an «unserem Karussel» vorbei; es fängt nicht nur die fröhlich-gelassene Stimmung des Jardin du Luxembourg als ein buntes Wimmelbild ein, sondern es berührt das ureigene innere Kind, so dass man selig ausrufen möchte: Wie schön ist das Leben!
So hat es auch Rainer Maria Rilke in seinem Dinggedicht «Das Karussell» erfasst. Das Karussell im Jardin du Luxembourg ist immer noch das Originalkarussell, das Rilke im Jahr 1906 beobachtete. Und so bleiben wir stehen und blicken auf die magischen Tierfiguren, ein rhythmisches Auf und Ab: Und dann und wann ein weißer Elefant. Wir werden nicht müde, nach diesem Exoten zu schauen.

Une chose encore
An einem dieser typischen Pariser Frühlingstage entdecken wir einen leicht vergilbten Zettel in einem Schaufenster. Die handgeschriebene Liste darauf verspricht nicht weniger als das Rezept für ein erfülltes Leben (in Paris). Elf Punkte sind es insgesamt, säuberlich nummeriert. Der letzte Punkt – ein täglicher Spaziergang durch den Jardin du Luxembourg – scheint zunächst der unwichtigste zu sein. Fast wie ein Anhängsel an die gewichtigen Aufgaben, die in den ersten zehn Punkten beschrieben werden.
Doch je länger wir darüber nachdenken, desto klarer wird uns: Dieser elfte Punkt ist der Schlüssel zu allen anderen. Der Weg zu einem erfüllten Leben führt durch den Jardin du Luxembourg – jeden Tag auf‘s Neue. Vielleicht ist es kein Zufall, dass wir diese Liste nur wenige Schritte vom Garten entfernt gefunden haben. Als würde Paris uns zuflüstern: Nehmt euch die Zeit. Sie ist da. Man hat sie, wenn man das richtige Tempo findet.

Empfehlung
Die offizielle Webseite des französischen Senats zum Jardin du Luxembourg ist ein Füllhorn an wertvollen Hinweisen zu all den wunderbaren Entdeckungen, über die wir auch weiterhin in unserem PARIS MAGIE Blog erzählen werden: https://jardin.senat.fr.
Map

Literatur
Chartier, Olivier (2022): Le palais et le jardin du Luxembourg : Le Sénat de la République. – Flammarion.
Hervet, Hélène (2018): Le Jardin du Luxembourg: Une promenade dans un jardin familial. – Editions L'Harmattan.
Hustin, Arthur (2016). Le Luxembourg : le palais, le Petit-Luxembourg, le jardin, le musée, les carrières (Date de l'édition originale 1905). – Hachette Livre BnF.
Jardillier, Dominique (2018): Le Jardin du Luxembourg. Promenade historique et littéraire. – RMN Réunion des Musées Nationaux.
Kästner, Erich (2012): Zwischen hier und dort. Reisen mit Erich Kästner. – Atrium Verlag: Zürich.
Maunder, Hilke (2023): Paris (20. Auflage). – Baedeker.
Rilke, Rainer Maria (2012): Gedichte. – Hamburger Lesehefte Verlag (231. Heft).
Soupre, Bernard (2017): Mémoires de chaises au jardin du Luxembourg. – Éditions du Palio.
Soupre, Bernard (2023): Mémoires de Proust au jardin du Luxembourg. – Éditions du Palio.
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